Der Weg zum Ziel

„Der Weg zum Ziel ist breit und mannigfach gestaltet, wir haben alle Platz darauf; er ist auch steil, wohl uns, wenn wir uns alle die Hände bieten; Freude, Friede und Gedeihen der Kunst seien der Erfolg.“

Carl Maria von Weber (zitiert von Frau Rehfeldt beim 10jährigen Jubiläum der Jugendmusikschule)

Die Jahre 1973 und 1974 waren für die Bürger Rottenburgs wichtige Jahre: Nicht nur, weil die Gemeindereform 1973 Rottenburg durch Eingemeindungen vergrößerte, sondern auch, weil im Jahr 1973 die Volkshochschule gegründet wurde, die religiös und politisch neutral eine breitgefächerte Bildung allen Interessierten anbot, verbunden mit Erziehung zur Demokratie. Und im Jahr 1974 nahm die Jugendmusikschule ihre Arbeit auf, die allen Kindern und Jugendlichen Rottenburgs und der umliegenden Ortschaften offenstehen sollte. Es wurde als Träger für beide Institutionen der gemeinnützige „Verein VHS e.V.“ gegründet, dessen Vorstandsvorsitzender Herr Ernsperger war, der Volkshochschule und Jugendmusikschule gründete und in der Anfangszeit für alles zuständig war und damals im Wesentlichen zusammen mit Ehrenamtlichen arbeitete. Auch die Verwaltung für beide Abteilungen wurde zunächst unter der Leitung von Herrn Ernsperger ausgeführt. Der Anfang der VHS funktionierte sehr gut, die Zahl der Veranstaltungen und Teilnehmer nahm zu.

Für die Jugendmusikschule gestaltete sich der Anfang schwieriger. Es kamen zwar Schüler, aber es fehlte an Geld, Instrumenten und Räumen für den Unterricht. So wurde z.B. Klavierunterricht „in einem kleinen Räumle“ in St. Klara erteilt. Allerdings wurde bald auf Antrag des Vorstands des Vereins das Haus Pliksburg in der Neckarhalde von der Stadt Rottenburg für Volkshochschule und Jugendmusikschule renoviert, und immer mehr Instrumente standen zur Verfügung. Trotzdem ging in den ersten beiden Jahren die Schülerzahl zurück, es gab große Fluktuation unter den Lehrern, die auf Honorarbasis bezahlt wurden – nicht aus Geiz, sondern aus Geldmangel. Die Unterrichtsorte waren nicht nur in der Kernstadt, sondern auch in den Ortsteilen. Stadtmusikdirektor Kamleiter, der die Stadtkapelle leitete, übernahm die musikalische Leitung der Jugendmusikschule und unterrichtete fast alle Blech- und Holzbläser; wenn Not am Mann war, half Herr Kühner aus, der am Eugen-Bolz-Gymnasium Musik unterrichtete.

Im Jahr 1980 zog sich Herr Ernsperger aus allen Ämtern und Ehrenämtern zurück. Ihm gebührt großer Dank und besondere Anerkennung, dass er in den Jahren 1973 – 1980 alle Aufgaben für Volkshochschule und Jugendmusikschule meisterte. Ohne ihn und die ehrenamtlichen Helfer hätte Rottenburg keine große Volkshochschule und auch keine so gut arbeitende Musikschule. Von der Stadt wurde gegen Ende dieser Zeit ein Geschäftsführer zur Verfügung gestellt, 1979 konnte Herr Ernsperger noch eine hauptamtliche Leiterin der Jugendmusikschule einstellen. Es musste aber auch ein neuer Vorstandsvorsitzender für den Verein gefunden werden. Dieses Amt übernahm Herr Spaeth, der Schulleiter des Wildermuth – Gymnasiums in Tübingen, ehrenamtlich ab 1981 bis 1991.

In seinem Grußwort zum 10jährigen Jubiläum der Jugendmusikschule sagte Herr Ernsperger:

„Die wichtigsten Aspekte (für die Gründung der Jugendmusikschule) waren:

  • Eine breite musikalische Grundausbildung und damit die Entdeckung und Förderung spezieller Begabungen.
  • Eine Erweiterung der Instrumentalfächer, insbesondere auch im Blick auf den Bedarf in Kapellen und Orchestern.
  • Die Förderung des instrumentalen Zusammenspiels.
  • Schließlich die Förderung der Zusammenarbeit von Kindergärten, Schulen und Vereinen im Blick auf die musikalische Ausbildung der Jugend.

So bescheiden die Anfänge der Musikschule waren, sie waren erfreulich. Nicht zuletzt, weil es sich hier um ein Gemeinschaftswerk handelt, das zeigt, dass sich mit bescheidenen Mitteln eine positive Entwicklung einleiten lässt.“

Was Herr Ernsperger als wichtige Aspekte für die Gründung einer Jugendmusikschule nennt, wird unter den nachfolgenden Musikschulleitern mit eigenen Schwerpunkten weitergeführt.

Erst mit der Einstellung von Frau Rehfeldt als hauptamtliche Leiterin der Jugendmusikschule im Jahr 1979 konnte ein kontinuierlicher Betrieb der Jugendmusikschule gewährleistet werden. Es wurde eine Verwaltungskraft eingestellt, es standen mehr Instrumente zur Verfügung und mit Fördermitteln, besonders von der Stadt, konnte gerechnet werden. Damit war für die Jugendmusikschule auch eine längerfristige Planung möglich.

Ein großes Problem war immer noch das Finden von geeigneten Unterrichtsräumen. Im Jahr 1987 fand der Umzug von Volkshochschule, Musikschule und Geschäftsstelle in die Alte Realschule in der Sprollstraße 22 statt. Damit gab es für beide Einrichtungen eine räumliche Entspannung, aber auch gegenseitige Störungen. Die Musiklehrkräfte erhielten allmählich feste Verträge, wodurch auch die Fluktuation bei den Lehrkräften zurückging.

Mit der Zahl der Schüler*innen wuchs natürlich auch die Zahl der Lehrkräfte. Vor allem sollte eine „Schule für die Musik“ entstehen, weshalb z.B. ein Elternbeirat gegründet wurde, Auftrittsmöglichkeiten für die Schülerinnen geschaffen wurden und Lehrerkonzerte stattfanden. Eine Schüler-Band und ein Singkreis für Senioren setzten neue Akzente, gute Schüler*innen konnten am Wettbewerb Jugend musiziert“ teilnehmen. Auf diese Weise entstand ein vielfältiges Musikschulleben, durch das sich alle Beteiligten zugehörig fühlen konnten.

Von 1990 bis 2013 übernahm Herr Bayer die Geschäftsführung für Volkshochschule und Jugendmusikschule. 1991 übernahm Herr Dr. Graf den Vorstandsvorsitz des Vereins bis 2004. Ebenfalls 1991 wurde die Jugendmusikschule in „Musikschule“ umbenannt, weil auch immer mehr Erwachsene sich für Musikunterricht interessierten. Die Musikschule hat sich dann bis zum Ausscheiden Frau Rehfeldts 1996 gut etabliert, sodass ihr Nachfolger sich größeren Projekten zuwenden konnte. Dadurch rückte sie deutlicher in den Fokus der Bevölkerung.

Herr Heiss trat das Amt des Musikschulleiters 1996 an und leitete die Musikschule bis 2018. Als Kooperation zwischen Eugen-Bolz-Gymnasium und Musikschule wurde die „Junge Philharmonie“ gegründet, die von Herrn Geiger, Musiklehrer am EBG, bis heute geleitet wird. Es entwickelte sich eine Musicalabteilung, außerdem wurden im Dreijahresabstand Opern mit großem Aufwand vorbereitet und mit beachtlichem Erfolg aufgeführt.

Im Jahr 2004 wurde Frau Rochow zur letzten ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden des Vereins gewählt. Zum Jahresende 2018 kündigte Musikschuldirektor Heiss seine Stelle als Leiter der Musikschule Rottenburg. Mit der Änderung der Vereinssatzung 2019 wurde nach dem Ausscheiden von Frau Rochow Oberbürgermeister Stefan Neher kraft Amtes Vorstandsvorsitzender.

Nach einer Interimsleitung der Musikschule durch zwei Lehrerinnen, Frau Merz und Frau Dentler-Bachteler, übernahm am 1. Juli 2019 Frau Gabriele Richter, die zuvor an der Jugendmusikschule in Balingen Klavier unterrichtete, die Leitung der Musikschule. Dann kam Covid-19. Das Verbot, den Musikunterricht in Präsenz auszuüben, wirkte für die Digitalisierung der Musikschule als Beschleuniger. Inwieweit sie über die Pandemie hinaus den modernen Unterricht begleiten wird, bleibt abzuwarten.

 

Eva Rochow